
Abschnitt 3: Thematischer Ansatz: der Forschungsstand in der Schweiz
Thema 1: Die Forschung zur Software-Evaluation
Die Bewertung der CGU-Produkte ist bei den Forschern, denen wir begegnet sind, unbestritten die am häufigsten erwähnte Problematik. Dieses Forschungsthema stellt eine einfache, aber nicht immer leicht zu lösende Frage: Ist die Software (oder die technische Vorrichtung), die ich in meinem Kurs benutze, ein wirksames Unterrichtsinstrument? Die Forschung über die Produktbewertung ist ein kontroverses Thema und beleuchtet oft unsere ungenügenden Kenntnisse über die Unterrichts- und Lernmodelle. Welche Kriterien sind anzuwenden, damit ein solches Unterfangen gelingt? Die mit den Ergebnissen in den Zielfächern assoziierten konventionellen Kriterien für den Schulerfolg werden oft als wenig passend für diese Art Forschung kritisiert, und doch gibt es in diesem Bereich zahlreiche Vorgehensweisen.
- Die Standardarbeit zu diesem Thema ist in der Schweiz unbestritten die Publikation von Professor Karl Frey von der ETHZ (Frey, 1989). Frey bietet in diesem Artikel eine sehr vollständige Übersicht zu diesem Thema, indem er einen originellen, als "metaanalytisch" bezeichneten Standpunkt einnimmt. Die Methode besteht darin, eine grosse Zahl Beobachtungen über einen Wirksamkeitsindex zusammenzufassen (Einzelheiten siehe Fallstudie). Ausser diesem Bericht hat K. Frey viele Artikel veröffentlicht, die in einem mehr oder weniger unmittelbaren Bezug zu den NIT stehen: eine Bilanz über die Bildungssoftware; eine Studie über die Merkmale der Lehrer, die die Informatik nutzen oder nicht nutzen; einen Artikel über die Bildungsökonomie in ihrem Bezug zur Anwendung der Informatik in der Schule; eine Einschätzung der Position der Schweiz auf internationalem Gebiet. K. Frey arbeitete 1995 an einen neuen Bericht über die Neuen Informationstechnologien, der die Ergebnisse einer Umfrage enthält, die bei 20'000 Soldaten in der dritten Woche der Rekrutenschule durchgeführt wurde. Ziel der Umfrage ist es, den Kenntnisstand der jungen Schweizer über die Informatik (computer-literacy) zu sondieren. Die jungen Frauen sollen in der Studie ebenfalls berücksichtigt werden.
* Frey, K. (1989): Auswirkungen der Computerbenutzung im Bildungswesen. Bildungsforschung und Bildungspraxis, 11.
* Frey, K. (1990): Economie de l'éducation: quelques considérations sur l'informatique à l'école selon l'état de la situation en suisse en 1989. IRDP, Neuchâtel.
* Frey, K. & Niederer, R. (1992): Informatik - Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich? Schweizerische Blätter für beruflichen Unterricht, 117.
- Kurt Reusser von der Universität Zürich erstellt derzeit eine Vergleichsanalyse über die Dialoge zwischen Schülern, die ein Algebraproblem in einer konventionellen Situation und mit Hilfe des von ihm entworfenen Programms HERON lösen (siehe Fallstudie). Er denkt, dass zur Bewertung von CGU-Programmen "intelligente" Kriterien gefunden werden müssen. So ist es z.B. nötig zu verstehen, dass selbst in den Fällen, wo keine quantitative Leistungsverbesserung beobachtet wird, die Anwendung dieser oder jener Methode, welche das logische Denken des Schülers langfristig verändert, von Vorteil sein kann.
* Staub, F.C., Stebler, R., Reusser, K. & Pauli, C. (1994): Improving Understanding and Solving of Math Story Problemes Through Collaborative Use of a Computer Tool (HERON). University of Zürich, Switzerland.
- Die Gruppe "Forschung und Entwicklung" des LEAO[29] (EPFL, Lausanne) bewertet die den Studenten zur Verfügung gestellte Software anhand von Fragebögen, welche die Zufriedenheit der Benutzer erfassen. Sie räumen ein, Pläne für genauere und systematischere Studien sowohl aus Mangel an finanziellen Mitteln wie auch aus berufsethischen Gründen nicht durchführen zu können. In der Tat stellt sich ein Problem, das für viele Orte gilt: Es ist nicht einfach, in einer Institution zu experimentieren, die Diplome vergibt. Die Studenten akzeptieren es nur schwer, für dasselbe Examen verschiedenen Unterrichtssystemen unterworfen zu sein.
- Die Abteilung TECFA der Universität Genf hat Forschungen über die kognitiven Auswirkungen angestellt, welche das Erlernen des Programmierens bei 10-12jährigen Kindern hervorruft (Mendelsohn, 1988 und 1990). Diese Arbeiten haben die von anderen Forschern erhaltenen Ergebnisse bestätigt (Pea & Kurland, 1984; Littlefield & al, 1989; de Corte & al., 1991). Die Arbeiten haben gezeigt, dass es keinen spontanen Kompetenztransfer zwischen dem Erlernen des Programmierens und komplexen Fähigkeiten gibt, wenn diese ausserhalb des Lernkontextes beansprucht werden (z.B. bei der Planung einer Wegstrecke). Der Transfer wird nur in den Situationen beobachtet, in denen er explizit unterrichtet wird. Er hängt also mehr von der Unterrichtsweise ab als vom eigentlichen Wert der Software. Diese Ergebnisse werfen methodologische und theoretische Probleme auf, die ihre Verlängerung in der Investition finden, die das Team beim Programm des ESF "Learning in Human and Machines" getätigt hat. P. Mendelsohn nimmt seit mittlerweile zwei Jahren an den von diesem Programm unterstützten Arbeiten der Gruppe "Situated Learning and Transfer" teil.
* De Corte, E., Verschaffel, L. & Schrooten, H. (1991): Cognitive effects of learning to program in LOGO: A one-year study with sixth graders. In E. De Corte, M. Linn, H. Mandl & L. Verschaffel (Eds), Computer-based learning environments and problem-solving (NATO-ASI Series. Computer and System Sciences). Berlin, Springer.
* Mendelsohn, P. (1988): Les activités de programmation chez l'enfant: le point de vue de la psychologie cognitive. Technique et Science Informatiques, 7(1), 27-38.
* Pea, R. & Kurland, (1984): On the cognitive effects of learning computer programming. New Ideas in Psychology, 2(2), 137-168.
- Die Abteilung TECFA der Genfer Universität hat 1993-94 auch das Multimediaprogramm MACHINA CARNIS in einer realen Unterrichtssituation in einer Medizinvorlesung des Grundstudiums bewertet. Diese von F.D. Giezendanner in Zusammenarbeit mit Professor Girardier (CMU) geschaffene Anwendung ermöglicht das Unterrichten der Elektrokardiologie und der Regulierung des Blutkreislaufs. Für das Experiment wurde sie sowohl zur Veranschaulichung und Unterstützung gewisser Teile der Vorlesung wie auch als Grundlage für die praktischen Übungen eingesetzt. Die Ergebnisse dieses Versuchs wurden in einem Bericht festgehalten, dessen Veröffentlichung im Gang ist.
* Peraya, D., Mendelsohn, P. & Giezendanner, D. (1994): Rapport de recherche sur l'utilisation d'un logiciel multimédia en situation réelle d'enseignement, TECFA-FPSE, Université de Genéve.
Bei der Software-Evaluation steht die schweizerische Forschung auf einem Niveau, das mit dem der anderen europäischen Länder vergleichbar ist. Das liegt vermutlich daran, dass diese Thematik per Definition stark durch die kulturellen Eigenheiten und die verschiedenen nationalen Bildungssysteme gezeichnet ist. Es kommt auch daher, dass für diese Art Forschung die klassische, in den Situationen zur Bewertung von Schulversuchen eingesetzte Methodik angewandt wird und dass die Verwirklichung eines Projekts dieser Art in technischer Hinsicht keine wirklich aufwendigen Mittel erfordert.
[29] Laboratoire d'Enseignement Assisté par Ordinateur (Labor für computergestützten Unterricht). Anm. d. Übers.
PNR33 - NFP33 - 9 NOV 1996

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TECFA Research * AGORA PNR33 - NFP33