Entwicklung vernetzten Denkens

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A031


Résumé, summary

Das Projekt "Entwicklung vernetzten Denkens" war eine erfolgreiche Kooperation zwischen der Universität Klagenfurt und verschiedenen höheren Schulen in Österreich. Ziel des Projekts war es, in einer Unterrichtseinheit von ca. 20 Stunden Schülern im Alter von 14-17 Jahren Grundideen des vernetzten (systemorientierten) Denkens durch Beschäftigung mit systemdynamischen Simulationsmodellen zu vermitteln und den Lerngewinn der Schüler auch durch eine wissenschaftliche Begleitforschung festzustellen. Im Juli 1994 wurden acht freiwillige Lehrer(innen) in einem einwöchigen Workshop in die Didaktik der systemdynamischen Modellierung und Simulation eingeführt. Im Herbst 1994 bereiteten die Lehrer in einer ihnen geeignet erscheinenden Klasse (im Fach Mathematik oder Informatik) eine entsprechende Unterrichtseinheit vor. Dabei sollte auch die systemdynamische Simulationssoftware "Powersim" von den Schülern erlernt und eingesetzt werden. In der wissenschaftlichen Begleitforschung wurden alle Schüler vor und nach der Durchführung der Unterrichtseinheit in einem standardisierten Test und ergänzenden Interviews auf ihre Fähigkeiten im vernetzten Denken getestet. Dieser Test war den Lehrern nicht bekannt. Der Unterrichtsverlauf und die Ergebnisse des Projekts aus Lehrersicht sind in Lehrer-Abschlußberichten genau dokumentiert.

Discipline, subject :

mathématiques Mathematik mathematics matematica informatique Informatik computing/computer science informatica psychology computing computer science psychologie

Public :

université Universität university universita` postobligatoire Weiterführende Schulen upper high school postobligatorio formation d'enseignants Lehrerbildung teacher training formazione dedei docenti

Contacts :

Ossimitz, Günther

Universitätsstraße 65
A-9020
KLAGENFURT

Tel : 43 463 2700-437
Mail : guenther.ossimitz@uni-klu.ac.at
Fax : 43 463 2700-427


Pédagogie, pedagogy :

Vernetztes Denken" (systemic thinking) wird in vielen Bereichen als eine wesentliche Qualifikation angesehen, um komplexe Zusammenhänge zu verstehen und managen zu können. Die Frage, wie man vernetztes Denken vermitteln kann, wurde bislang jedoch noch kaum erforscht, insbesondere für den Bereich schulischer Ausbildung. Bereits erprobte Strategien zur Vermittlung systemischen Denkens in Form von Management-Seminaren oder Unternehmensplanspielen lassen sich nicht so ohne weiteres in den Rahmen schulischer Ausbildung übertragen. Im vorliegenden Unterrichtsversuch wurde der etwa um 1960 von Jay Forrester entwickelte und schulisch bereits erprobte "System-Dynamics-Ansatz" zur Modellierung und Simulation dynamischer Systeme zugrundegelegt. Es sollte untersucht werden, inwieweit die Schüler durch die Beschäftigung mit systemdynamischen Modellen ihre Fähigkeiten zur Erfassung und Beschreibung komplexer, dynamischer Strukturen verbessern. Zu den pädagogischen Herausforderungen des Unterrichts zählte dabei die Einbindung der systemdynamischen Simulationssoftware "Powersim" (für Windows 3.1) in den Unterricht. Die Schüler mußten lernen, Modelle in Powersim zu erstellen, zu simulieren und die Ergebnisse zu interpretieren. Die Lehrer mußten lernen, wie sie den Schülern den Umgang mit einer neuen Software möglichst effizient vermitteln konnten. In vielen Klassen hatten die Schüler in dem betreffenden Fach (Mathematik) zuvor noch nie mit dem Computer gearbeitet. Auf der Ebene der Lehrerfortbildung bestand die Herausforderung darin, den Lehrern in einem etwa einwöchigen Workshop mit Grundideen des systemischen Denkens, mit systemorientierten Darstellungsformen und auch mit der Modellierung und Simulation dynamischer Systeme mit Powersim vertraut zu machen.

Apprentissage, learning :

Im vorliegenden Projekt gab es Lernerfahrungen auf drei Ebenen: a) bei den Schülern;b) bei den unterrichtenden Lehrern; c) bei den das Projekt wissenschaftlich begleitenden Didaktikern. Die Schüler erlernten den Umgang mit der Simulationssoftware Powersim sowie einschlägige systemische Darstellungsformen zur Beschreibung komplexer Situationen (Wirkungsdiagramm/causal loop diagram; Flußdiagramm/flow diagram). In einigen Klassen erfuhren die Schüler anhang größerer Projektbeispiele auch mehr über die Vernetztheit von Wirkungen und über die Komplexität von Problemen in unserer Umwelt z.B. in einem Projekt über die CO2 - Belastung der Erdatmosphäre und damit in Zusammenhang gebrachten Effekten auf das Klima der Erde. Die Lehrer lernten insbesondere, wie ein computerintensiver und projektorientierter Unterricht gestaltet werden kann. Zu den besonderen Leistungen der Lehrer zählt es, daß sie den recht ungewöhnlichen Unterricht auch durch geeignete Klausur- und Prüfungsaufgaben in die Leistungsbeurteilung mit einbezogen. Auf der Ebene der didaktischen Begleitforschung konnten wertvolle Lernerfahrungen zu Fragen der Definition und der Messung des Begriffes "Vernetztes Denken" gewonnen werden. Die Tests der Schüler lassen erkennen, daß durch eine relativ kurze Unterrichtssequenz in erster Linie die Fähigkeit zur Darstellung komplexer Sachverhalte signifikant gesteigert werden konnte. Nachhaltige Fortschritte in der Fähigkeit zu vernetztem Denken konnten nur bei einzelnen Schülern festgestellt werden. Außerdem brachten die Rückmeldungen der Lehrer und aus den Tests und Interviews der Schüler vielfältige Erfahrungen (positive wie auch negative) zu Fragen der Gestaltung eines stark projekt- und computerorientierten Unterrichts.

Enseignement, teaching :

Für Lehrer und Schüler brachte das Projekt eine wesentliche Umstellung im üblichen schulischen Lehr- und Lernstil mit sich. Die Schüler waren zu einem viel höherem Maß an Eigentätigkeit und persönlichem Engagement aufgerufen, als sie dies gewohnt waren. Die Lehrer mußten auf eine volle Kontrolle über das Unterrichtsgeschehen verzichten, wie es im herkömmlichen fragend-entwickelnden Unterricht (speziell im Fach Mathematik) üblich ist. Auch die Frage, wieviel von der veranschlagten Zeit für technische Aspekte der (sehr umfangreichen und leistungsfähigen) Software Powersim verwendet werden soll, war ein zentrales Problem im Unterricht vieler Lehrer. Auf der Ebene der Lehrerfortbildung zeigte sich, daß die Lehrer schon in den Fortbildungsveranstaltungen die neuen Unterrichtsformen (Gruppenarbeit, offene Projektaufgaben) kennenlernen mußten, um sie dann auch im eigenen Unterricht umsetzen zu können.

Technique :

Die Software Powersim wurde für dieses Projekt von der Fa. Modelldata AS (Berger/Norwegen) freundlicherweise kostenlos zur Verfügung gestellt. Die nötigen Hardware-Voraussetzungen konnten in fast allen Schulen (z.T. mit einiger Mühe) bereitgestellt werden. Es erwies sich als sehr vorteilhaft, ein Windows -Produkt zu verwenden, da die meisten Schüler mit der Menü- und Fenstertechnik von Windows bereits vertraut waren. Für Schulen, in denen nur fallweise mit Simulationssoftware gearbeitet werden soll, empfiehlt sich als Alternative zu Powersim eine günstigere Shareware für den Schulgebrauch (z.B. Dynasys).

Société, society :

Für die Schüler brachte das Projekt wichtige soziale Erfahrungen: Die meisten von ihnen waren das erste Mal im Mathematikunterricht mit einer komplexen, vernetzten Problem- und Aufgabenstellung konfrontiert. Die Schüler formierten sich z.T. spontan in Gruppen, um der ungewohnten und schwierigen Situation besser gewachsen zu sein. Auch in der Beziehung zum Unterrichtsstoff machten viele Schüler eine neue Erfahrung: es ging plötzlich nicht mehr um das Nachvollziehen vorgegebener Verfahren, sondern um eigenständiges Denken und Bearbeiten des Themas. Dies wurde von einigen Schülern nicht nur als eine neue kognitive, sondern als eine neue soziale Erfahrung in der Beziehung zum Inhalt erlebt.

Culture :

Die Untersuchung umfaßte sowohl Klassen in Großstädten als auch in ländlichen Gegenden. Es zeigte sich, daß die Schüler aus den ländlichen Bereichen in ihrer Kreativität und Weltoffenheit den großstädtischen Altersgenossen um nichts nachstanden, sie z.T. sogar übertrafen.

Institution :

Ein wesentliches Erfordernis für das Gelingen des Unterrichtsprojektes war es, daß in der Schule ein ausreichender Zugang zu Computer-Lehrsälen bestand. Bereits bei der Anwerbung der Lehrer konnten einige interessierte Lehrer nicht am Projekt mitwirken, weil sie keine ausreichende Gewähr sahen, in ihrer Schule auch die entsprechenden Computer-Ressourcen zu erhalten.

Logistique :

Der wichtigste Erfolgsfaktor erscheint mir die Bereitschaft der Lehrer zu sein, sich auf eine neue und für sie ungewohnte Art des Unterrichts und auch die damit verbundenen Mühen der Vorbereitung einzulassen. Ich konnte feststellen, daß einige der teilnehmenden Lehrer ein bemerkenswertes Engagement an den Tag legten und eine wirklich bemerkenswerte Unterrichtssequenz planten und durchführten.

Remarques, remarks :